Alles eine Frage der Lage? – über Kindheitserinnnerungen und Klassifizierungen

 In Weinbau, Weingarten

Schlagwörter wie Lagen, Rieden, Appellationen oder das manchmal in recht eigenartig anmutenden Kombinationen benutzte Wort „Herkunft“ dominieren heutzutage die Slogans und Werbematerialien der Winzer.

Es gibt ja solche Lagen und solche Lagen.

Für manche Lagen fühlt man sich verantwortlich, weil man der erste war, der sie sie fett aufs Etikett geschrieben und propagiert hat – wie bei uns mit dem Gritschenberg. Zu manchen hat man eine persönliche Bindung, weil man schöne Kindheitserinnerungen damit verbindet – bei mir: Auf den See schauen vom Jungenberg aus oder Steine sammeln am Hackelsberg.

Manche schreibt man gerne aufs Etikett, weil sie vielleicht schon bekannt sind oder besonders gut klingen und man sich einen gewissen Verkaufserfolg dadurch erwartet.

Bei manchen Lagen vermeidet man es, den Namen aufs Etikett zu schreiben, weil man sich denkt, dass sie eine falsche Idee vermitteln oder weil der Nachbar dort einen bekannten Wein macht, der einem selbst gar nicht schmeckt. Bei einigen fürchtet man, dass ein Winzerkollege beleidigt sein könnte, weil der schon einen Wein längere Zeit so nennt bzw. macht man es bewusst, um einen Konkurrenten zu ärgern.

Bei manchen Lagen schielt man auf Wertsteigerung: Eine günstig erworbene oder geerbte Parzelle in Ortsnähe könnte sich doch in Bauland widmen lassen. Und wenn nicht? Vielleicht kann die von vielen Winzern betriebene Klassifizierung der Rieden, die unabhängig von Bewirtschaftung oder Winzer a priori in gute und schlechte Lagen unterscheiden soll ja eine monetäre Aufwertung der Latifundien bringen.

Nur was bedeutet das eigentlich? Welche Rolle spielt es ob die Trauben östlich oder westlich vom Ort gewachsen sind? Wie wichtig ist das alles für diejenigen die den Wein trinken? Und warum tut man sich es an, Jahr für Jahr die Rieden gesondert auszubauen?

Es bedeutet für mich, dass die Rebe ein Lebewesen ist; ein Organismus, der wie jede Pflanze an unterschiedlichen Standorten andere Charakteristika aufweist. Nicht mehr und nicht weniger.

Beispielsweise bringt ein hoher Kalkanteil im Boden einen anderen PH-Wert als ein niedriger und das begünstigt gewisse Bodenlebewesen oder nicht. Das hat Auswirkungen auf den Gesamtkomplex „Boden“ und der ist ein entscheidender Faktor. Man denke nur an den Frühling 2020, als man auf Balkonien zum ersten Mal Pflanzenbeete angelegt hat. Da hat man sich bestimmt gut über die exakte Zusammensetzung der Blumenerde informiert und ging auf Nummer sicher, dass man ja keine Anzucht Erde mit der Hochbeet Erde verwechselt. So ähnlich ist das im Weinbau auch ?

Wüchsig und ertragreicher mit größeren Trauben entwickeln sich die Reben in den Rieden der Ebene (Satz und Schmalister) mit ihrer guten Wasserversorgung und dem was man als fetten Boden bezeichnen kann. Viel kleiner, härter und konzentrierter sind die Früchte, die auf kargen Kalkböden (Gritschenberg) wachsen. Zart und zerbrechlich, saftig mit dünner Beerenhaut sind die Trauben auf purem Schiefer (Hackelsberg). Der Wind spielt bei uns eine Rolle, er peitscht an den Nordhängen des Buschenbergs die Reben so wild an die Drähte des Drahtrahmens, dass sie regelmäßig brechen und manchmal nie ganz nach oben wachsen. Himmelsrichtung, Windexposition, Bodenzusammensetzung das alles hat maßgeblichen Einfluss auf die Trauben und auch den Wein.

Das lässt sich ewig fortsetzen. Wer mit offenen Augen durch die Natur geht entdeckt auch dass die Fauna sich mitändert. Und ja, alle 100m schauts bei genauer Beobachtung völlig anders aus. Das ist die Faszination Leithaberg.

Den Boden herausschmecken– eine eher abstrakte Vorstellung nahe an der Gaukelei. Das kann man auch von keinem Kunden verlangen. Die Aromen kennen zu lernen, die auf gewissen Böden häufiger sind als auf anderen, weil sie herausragende Trauben hervorbringen – das geht auf jeden Fall. Das Geschmacksbild muss so speziell werden, dass sich ein Eindruck, eine Textur, eine Reihe von Geschmäckern Jahr für Jahr regelmäßig und wiedererkennbar in einem Wein wiederholen, dann geht es Richtung Lagenwein. Jeder Winzer muss selbstverständlich selbst entscheiden, was ihm seine Lagen wert sind und nicht jeder gute Wein muss ein Lagenwein sein.

Für uns gilt: Wenn etwas Außerordentliches von selbst Ausdruck findet, ohne viel Zutun im Keller, wenn die Weine Jahr für Jahr aus einer Parzelle eigenständig sind und diese Unterschiede auch schmeck bar sind, erst dann macht es Sinn von Lagenwein zu sprechen.

Selbst in einem bevorzugten Gebiet wie am Leithaberg, sollten wir Winzer uns auf wenige ausgesuchte, besondere Parzellen mit einem wertvollen Ausdruck fokussieren, anstatt jedem Wein der Mode folgend einen Lagennamen aufs Etikett zu schreiben. Sonst könnte etwas extrem Spannendes wie das Lagenthema schnell uninteressant werden und in die Bedeutungslosigkeit zurückkehren, in der es bis auf wenige Ausnahmen die 90er und 00er Jahre verbracht hat.

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