Die Weinlese 2022 – Über den frühen Vogel
Eine Weinlese ist fast immer spannend: die Tücken lauern darin, ein gutes Team entsprechend bei Laune zu halten, die geernteten Traubenmengen richtig zu portionieren und perfekt zu verarbeiten und vor allem den richtigen Lesezeitpunkt sorten- und lagengerecht festzustellen. Verliert man selbst nicht die Nerven und behält den roten Faden im Blick, gibt es aber kaum etwas Schöneres als eine Lese. Die Aromen, Düfte, Geschmäcker und glücklich zufriedene Gesichter aller die daran teilhaben, entschädigen für die Anstrengung und nervliche Belastung. Und eines war uns schon vor der Lese 2022 klar: Der frühe Vogel fängt den Wurm.
Wie stellt man ihn nun fest, den richtigen Lesezeitpunkt? Orientiert man sich an Zuckerreife (mit Refraktometer festgestellt), Säurestabilität (pH-Wert abhängig), physiologische Reife (geschmacklich reife Beeren und braune Kerne), der Vitalität des Weingartens (im Jahr der Trockenschäden essenziell), dem Gefühl des Winzers? Wahrscheinlich ist es ein Mix aus all dem. Wobei das Wichtigste ist zu wissen, wo man hinwill. Wir waren die ersten im Ort, die mit der Lese begonnen haben, was unter so manchen Kollegen Kopfschütteln und fragende Blicke ausgelöst hat. Unser Bekenntnis zu Frische, Spannung, Mineralik und Leichtigkeit hat es allerdings verlangt, im heißen Jahrgang früher zu ernten, um genau diese Faktoren in die Weine zu bekommen – auf Kosten des Zuckerwerts, sprich Alkohols.
Wir sind daher sehr aufmerksam und oft durch die Weingärten gestrolcht, um nichts zu verpassen und rechtzeitig dran zu sein. Denn der Jahrgang hat wirklich viel zu bieten! Der Gesundheitszustand war perfekt. Unsere Pflanzentee basierte Pflanzenschutz-Strategie hat voll gegriffen und weder Mehltau noch Botrytis konnten sich in unseren Weingärten breit machen.
Die Moste sind reintönig und die jungen Weine glasklar. Man könnte ins Schwärmen geraten… Bis die Weine dann ausgereift und füllfertig sind, heißt es nun aufmerksam bleiben. Bei unserer zusatzfreien Vinifikation ohne Netz und doppelten Boden kann man sich keine Nachlässigkeiten erlauben. Denn wer denkt, der minimal-invasive, low intervention-Ausbau ist ein Selbstläufer für Müßiggänger, der irrt gewaltig. Höchste Akribie und ständiges Beobachten sind nötig, um die Weine in die Flasche zu bringen, für die wir stehen.
Viel Wichtiger als das Wetter ist bei der Lese natürlich das Team. Unsere eingespielte Mannschaft rund um Eva, Bence, Kinga, Tina und Vicky hat uns zwar mit lautstark im Weingarten abgespieltem Hungaro-Neo-Folk vor Rätsel gestellt, aber bestens gelaunt wochenlang großartig performt!
Ein besonderer Dank gilt unserer Brigitta. Sie ist seit Juni als Praktikantin bei uns und hat bereits viel Erfahrung bei anderen Weingütern gesammelt. Als gebürtige Ungarin, die in Wien wohnt, ist sie verständigungsmäßig das perfekte Bindeglied zwischen der Keller- und der Lesemannschaft. Sie wechselt aber nicht nur zwischen zwei Sprachen, sondern switcht auch zwischen Verarbeitung und Weingarten. Ein Multitalent in vielerlei Hinsicht! Für ihren Einsatz, die gute Laune, das Dolmetschen und die spannenden Weine bei unseren gemeinsamen Abendessen bedanken wir uns herzlich und wünschen Brigitta alles Gute!
Wie bereits im letzten Newsletter erwähnt, war es leider für unsere langjährige Mitarbeiterin Katrin Lautner die letzte Lese bei uns. Auch ihre Leistung war einmal mehr beispiellos.
Wir sagen DANKE!